Es gibt so Aufträge, da stehen einem die Schweisstropfen zentimeterdick auf der Stirn, da hat man noch nicht mal angefangen zu nähen, da hat man noch nicht mal angefangen den Stoff anzuschneiden und eigentlich weiss man auch noch garnicht, was man nähen soll.
Kennt jeder Unternehmer.
Schuld ist der Kunde. Denn er beauftragt. Er beauftragt was Wichtiges. Etwas sehr Wichtiges. Etwas, was man nicht verhauen darf. Wo man nur eine Chance hat. So wie in diesem Fall…
Wir wurden von der Handwerkskammer Konstanz beauftragt, eine Tasche für den Neujahrsempfang der HWK und IHK Konstanz zu entwerfen und zu realisieren, die der Hauptrednerin, der schweizer Botschafterin prall gefüllt mit Bodensee-Spezialitäten überreicht werden sollte. Diese Tasche sollte aus einem ehemaligen Werbebanner der beiden Kammern angefertigt werden.
Der gewählte Ausschnitt war auf dem Banner nur einmal verfügbar. Das gewählte Innenfutter hat grad für EINE Tasche gereicht, ansonsten ist der Innenfutterstoff ausverkauft. War ja klar…
Was man in so einem Fall immer gerne macht: aussitzen, aufschieben bis zur absoluten Deadline…war in diesem Fall schwierig, denn es wurde telefonisch nachgehakt, wann denn das besondere Stück fertig sei … und die Produktionszeit war eh knapp.
Mit Schweissflecken so gross wie Nordamerika und den Kunterbunten-Hühnern im Nacken, die immer gackerten „Versau das bloss nicht! Du hast nur EINEN Versuch“…setzte ich nach einem kurzen Stoßgebet die Schere an. „Du weisst ja schon, dass wir den Stoff nicht mehr haben!“ Ja…danke…habt ihr mir auch nur drölfhundert Mal gesagt. Und jedes Mal, wenn ich die Schere ansetzte, erscholl ein ehrfürchtiges Raunen aus dem Off. Ich konnte so fast nicht arbeiten.
Hat mich auch nur…geringfügig…unter Druck gesetzt.
In den wenigen Pausen, die ich mir gönnte, hyperventilierte ich abwechselnd in eine Haribotüte oder wahlweise in eine Chipstüte. Und manchmal weinte ich auch ein wenig. Aber heimlich. So in mich rein, ihr versteht?!
Aber „jammern hilft nüsch“ hat uns ja schon Muddi beigebracht. Durchatmen und ganz geschmeidig den Auftrag runterrocken. Die einzige Option. Die einzige!
Thank God! Das Endergebnis wurde GROSSARTIG!
Kunde zufrieden, die Hühner applaudierten. Herr Kunterbunten verneigte sich vor Ehrfurcht. Alle klopften mir auf die Schulter, sie wussten ja vorher, dass ich das voll gut mache…bla bla bla…und vertuschten damit, dass sich sonst keiner im Atelier an diesen Auftrag rantraute. Ja…ja…
Finally… Alles gut.
Hari
(Bildquelle:“Tasche mit Blumenstrauss“ Handwerkskammer Konstanz)